Von den vielen Regenschauern ließ sich kaum jemand beeindrucken. Umso mehr vom Programm des 16. Venner Folkfrühlings. Neben virtuosen Solisten und mitreißenden Shows hochkarätiger, internationaler Bands waren es insbesondere die Bühnenpremieren, die das Festival zu einem musikalischen Erlebnis für weit über 1.000 Folkfans machten. Und die kamen nicht nur aus dem Osnabrücker Land.
Schon der Auftakt am Freitagabend war eine Überraschung: Svavar Knútur eröffnete den Event. Ein Songpoet aus Island, den bis dato kaum jemand im Publikum kannte. Der Gitarrist begeisterte jedoch mit sensiblen Songs und humorvollen Moderationen die weit über 100 Gäste im Saal vom Gasthaus Linnenschmidt und wurde dafür schon nach dem ersten Lied mit lang anhaltendem Applaus gefeiert.
Doch Knútur war nicht die einzige Entdeckung während des dreitägigen Festivals. Bis einschließlich Sonntagabend gab es für die Fans handgemachter Töne ein facettenreiches Programm auf drei Bühnen mit einem breiten musikalischen Spektrum: Folk und Volksmusik in unterschiedlichster Ausprägung. So waren die Besucherzahlen bereits am Samstagabend vierstellig.
Trotz Regen vierstellig
An den Festivalbeitrag von Knútur schloss sich gleich eine weitere Premiere an. Nicht nur beim Folkfrühling, sondern auf deutschen Bühnen überhaupt: Roland Verstappen aus den Niederlanden präsentierte einen faszinierenden Folk-Finger-Style auf den Gitarrensaiten. Mit Tom McConville folgte ein in Venne schon vertrautes Gesicht. Allan Taylor und Jens Kommnick – zwei alte Hasen im Line-up des Folkfrühlings – begleiteten den Newcastle-Fiddler.
„Ihr gemeinsamer Auftritt war eine spontane Idee und zeigte, was für erstklassige Musiker die drei sind. Eindrucksvoll haben Taylor und Kommnick die neuen Songs von McConville mitinterpretiert“, lobte Veranstalter Dieter Wasilke. Er ist seit 16 Jahren treibender Motor des Folkfrühlings. Auch das Publikum im Saal ging begeistert mit und bejubelte den Festivalbeitrag.
Kilkenny Band machte Stimmung
Den ersten Abend beendete die Kilkenny Band. Das Quartett zählte mit stimmungsgeladenem Irish Folk zu den Lokalmatadoren beim Festival. Gleiches galt für Circle Nine. Die Folkband aus den Nachwuchsreihen der Veranstalter machte am Samstag den Anfang auf der Mühleninsel, während parallel dazu in der Walburgiskirche mit Annett Kuhr eine Liedermacherin vorwiegend sensible Töne anstimmte.
Ein Prinzip, das sich bis Sonntagabend fortsetzte: Im Gotteshaus ging es unter anderem mit Kommnick, Taylor, Jacques Stotzem, Viviane Kudo, Peter Kerlin, dem Duo Cantecleer sowie Santino de Bartolo eher filigran und feinsinnig zu. Unter freiem Himmel dagegen auf der Insel wurde es lauter. Hier luden die keltisch-bayrischen Folkrocker von IRXN, Litha, The Outside Track, Johan Piribauer aus Lappland, die legendäre Blues Company als Duo sowie Beoga zum Mittanzen und Singen ein.
Bei Linnenschmidt gab es beides: die Guckkastenbühne im Saal war sowohl Kulisse für Solisten wie Peter Funk, Johan Meijer und Pascal Gentner als auch für Formationen wie Gerd Schinkel & die Kanuten, Emerald, Crystal Pasture und Sudden Flow. Mal ging es eher leise zu, dann wieder mitreißend und ausgelassen – vor allem am späten Abend auf der Tanzfläche.
Dahlhoff-Projekt herausragend
Herausragend: Die Dahlhoff Band. Sie hat sich darauf spezialisiert, Lieder und Tänze aus dem 18. Jahrhundert vorzustellen. Wiederentdeckt durch die 1.400 Seiten umfassende Sammlung der Küsterfamilie Dahlhoff aus dem westfälischen Dinker. In zwei von vier Workshops studierten sie am Samstag drei Stücke aus ihrem Repertoire mit Instrumentalisten und tanzfreudigen Besuchern ein. Aufgeführt wurde das Ergebnis dann am Sonntag. Auch das eine Premiere, die das Programm des Venner Folkfrühlings wieder zu etwas Besonderem machte.
„Es war ein tolles Festival.., trotz des Regens“, urteilte Wasilke am Sonntagabend beim traditionellen Finale des Venner Folkfrühlings. Bestätigt wurde sein Resümee vom Publikum auf der Mühleninsel durch lang anhaltenden Applaus. Angesichts der Witterung blieb das dreitägige Festival zwar hinter den Erwartungen zurück, was die Besucherzahlen betraf. Es fehlte das klassische Laufpublikum. Besonders am letzten Veranstaltungstag litt darunter der Kunsthandwerkermarkt. Eingefleischte Folkfans ließen sich davon trotzdem nicht abhalten.
Schließlich wurde ihnen Einmaliges präsentiert. „Liedermacher waren ein bewusster Schwerpunkt“, so der kreative Motor des Folkfrühlings. Die boten vor allem Stücke mit Geschichte. Wie die Grenzgänger mit „1914 – Maikäfer flieg“. Eine „entstaubte“ Auswahl von Liedern aus dem Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg.
Historisches von Liedermachern
Oder eben die oben bereits erwähnte Dahlhoff Band… Was die Küsterfamilie im westfälischen Dinker zusammengetragen hatte, „ist heute die umfangreichste Zusammenstellung deutscher Volksmusik überhaupt“, erläuterte Michael Möllers. Der Geiger aus Rheine hat es sich zur Aufgabe gemacht, die vergessen geglaubten Werke wieder bekannt zu machen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Klaus Adolphi. Gemeinsam mit der Sopranist Kathrin Peter gründete er Siebenschläfer. Namensgeber war vor fünf Jahren der Tag, an dem die beiden erstmals auftraten. „Bis heute steht Musik bei uns die Musik der deutschen Romantiker im Mittelpunkt.., allerdings aus heutigem Blickwinkel“, so der Musiker.
Im vergangenen Jahr tobte Adolphi noch mit Horch am Samstagabend auf der Mühleninsel über die Folkfrühling-Bühne. Nun war die Walburgiskirche seine Kulisse. Das Gotteshaus war zugleich ideal für den Auftritt von Laway. Die Friesenfolker stellte Auszüge aus ihrem Programm zu 75 Jahre Reichsprogromnacht in Ostfriesland vor. Auch das ein Konzert mit historischem Bezug und Anspruch.
Wahrscheinlich hätte Wasilke seinen leuchtend gelben Südwester schon am Samstag tragen sollen, dann wären mindestens doppelt so viele Besucher nach Venne gekommen. Fakt ist: nachdem er sich die Regenmütze am Sonntagmittag aufgesetzt hatte, blieb es trocken. Leider aber auch weiterhin ungemütlich kalt.
Herders Dauerspruch: „Tür zu!“
„Tür zu!“ war daher an allen drei Tagen eine der häufigsten Aufforderungen von Ulli Herder an jene Gäste, die ins Linnenschmidt kamen. Leider entfielen angesichts der widrigen Witterung jedoch die Biergartenauftritte. Sie hätten ein Plus an Atmosphäre bedeutet. Stattdessen fand alles ausschließlich im – ebenfalls schönen (!) – Saal statt.
Dass es vom 8. bis 10. Mai 2015 die 17. Auflage des Folkfrühlings geben wird, steht trotz weniger Besucher schon jetzt fest. Schließlich genießt der Folk-Event in der Region sowie Fachwelt einen hohen Ruf. „Hier fühle ich mich sofort wie daheim“, schwärmte beispielsweise Knutur bereits zum Auftakt des Folkfrühlings.
„Für mich gibt’s nur zwei nur zwei wichtige Termine im Jahr: Weihnachten und das Muttertagswochenende“, berichtete darüber hinaus Reiner Rumpf. Der Sänger und Gitarrist aus München war schon zweimal beim Folkfrühling auf der Bühne zu Gast. Doch auch in den übrigen Jahren gibt es für ihn nichts, was ihn davon abhält, jährlich mit seinem Wohnmobil aus Bayern zum Szene-Festival in den Altkreis zu reisen.